Die Aschewolke - Flug zum verwaisten Erdinger Flughafen

April 2010: Der Vulkan Eyjafjallajökull spuckt seit Wochen riesige Aschemengen in den isländischen Himmel.

Über Deutschland kommen zwar nur geringe Mengen der Asche an, aber es gibt weder genaue Messungen noch Grenzwerte für den Flugbetrieb.

In der herrschenden Unsicherheit wollen die Flugsicherungsbehörden weder für eine Freigabe noch für ein Flugverbot die Verantwortung übernehmen.

So wird per NOTAM am 15. April der schwarze Peter den Piloten und Fluggesellschaften zugeschoben: "FOR ALL IFR FLIGHTS, ATC WILL NOT ISSUE CLEARNCES TO TRAFFIC PENETRATING CONTAMINATED AREAS BASED ON THE ACTUAL SIGMET INFORMATION".

Das damit geschaffene Schlupfloch, nach Sichtflugregeln zu fliegen, wird vorerst nur für einige Überführungsflüge genutzt.

Für die Verkehrspiloten eine ungewohnte Situation, sie brauchten plötzlich VFR-Karten und mussten sich den Luftraum eigenverantwortlich mit langsamen Kleinflugzeugen teilen.

Für uns sollte diese immense Beeinträchtigung der zivilen Luftfahrt eine einmalige Gelegenheit bieten, in sonst unzugängliche Lufträume zu fliegen…

Am 19. April herrscht bestes Flugwetter mit guter Thermikprognose, und so beschließe ich um halb zehn, dass meine Arbeit warten kann.

Wolfgang und ich fliegen in der DG1000 kurz nach Mittag der Königsdorfer Gewohnheit folgend erst einmal in Richtung Berge.

Vom Herzogstand aus sieht man bis nach München, und wir überlegen, auf direktem Weg zum verwaisten Erdinger Flughafen zu fliegen - Diese Chance würde sich uns so schnell nicht wieder bieten.

MUC Neuperlach 0474

ATC gibt uns sofort (dank Transponder?) die Freigabe für Luftraum C über München, und um halb drei Uhr steigen wir bei Oberhaching mit freundlichen 2,6m/s auf gut 2700m.

MUC Maximilianeum 8548

Östlich der Isar geht es über Giesing zum Englischen Garten, wo uns sogar 3,3m/s erwarten. Leider haben wir keinen brauchbaren Fotoapparat dabei.

Nördlich von München ist es leider überwiegend blau, und unsere Akkuspannung sinkt merklich. Zieht der Transponder zu viel Strom?

EDDM Terminal w

8km vor dem Erdinger Flughafen drehen wir lieber um. Ohne Strom im freigabepflichtigem Luftraum zu fliegen wäre für uns und ATC nicht angenehm.

Allianz-Arena

An der Allianz-Arena finden wir wieder einen Bart 1, der uns auf 2500m Höhe bringt. Das reicht theoretisch sogar für die 45km nach Königsdorf.

Der Controllerin gefällt unsere Höhenreserve weniger, sie fordert uns auf, zu sinken. Ich bin mir nicht sicher, was sie damit genau meint.

Eine kurze Erklärung über die Bedürfnisse eines Segelfliegers lässt sie dann zu meiner Erleichterung davon absehen, uns die Bremsklappen ziehen zu lassen.

Das war auch gut, denn über der Innenstadt herrscht großräumiges Saufen 2, über eine Strecke von 10km haben wir ein durchschnittliches Gleitverhältnis 3 von nur 24! Dadurch verlieren wir auf diesem Teilstück mehr Höhe als erwartet.

Unser Akku geht jetzt so stark in die Knie, dass wir darum bitten, den Transponder ausschalten zu dürfen. Wir sichern zu, direkt nach Süden zu fliegen und unsere Position per Funk zu melden.

Erst bei Solln finden wir wieder Steigen 4, und um halb vier fliegen wir über dem Forstenrieder Park wieder aus Luftraum C aus.

Ohne Motor in bis zu 2000m AGL 5 über München zu fliegen war ein großartiges und sicher einmaliges Erlebnis.

Angesichts des immensen wirtschaftlichen Schadens für die Verkehrsflieger bleibt zu hoffen, dass bei der nächsten Aschewolke Entscheidungen über Flugbeschränkungen fundiert und zügig getroffen werden.

Die nach den durch Vulkanasche verursachten Triebwerksausfällen 1982 und 1989 eingerichteten Volcanic Ash Advisory Center (VAAC) reichten 2010 nicht aus, angemessene Handlungsanweisungen zu finden.

Glossar für "Fußgänger":
Bart: Ein thermischer Aufwind, die Energiequelle für Segelflug im Flachland
Saufen: Abwind, Luftmassensinken. Im Abwind verschlechtert sich der Gleitwinkel, man kommt nicht mehr so weit
Steigen: Gegenteil von "Saufen", Aufwind - das Flugzeug wird nach oben getragen.
AGL: Höhe über Grund ("above ground level")
Gleitverhältnis, Gleitzahl: Verhältnis zwischen Wegstrecke und dafür benötigtem Höhenverlust. Die DG1000 sollte lt. Handbuch 46 schaffen, 24 bedeutet also deutliches "Saufen"

Anmerkung: Die Fotos stammen nicht von diesem Flug