Einfacher Hochimpedanztastkopf

Motivation

Für viele Messungen mit dem Oszilloskop ist ein passiver Tastkopf nicht geeignet. Die 10MOhm Eingangswiderstand eines passiven 10:1-Tastkopfes können die Funktion hochohmiger Schaltungen beeinträchtigen.

Und bei höheren Frequenzen wird die Kapazität von ca. 15pF zum Problem: schon bei 20MHz beträgt deren Scheinwiderstand nur noch ca. 530Ohm.

Einerseits belastet das die Schaltung, andererseits muss der resultierende Strom durch den Masseanschluss wieder zurückfließen. Ohne niederohmige "Masse" in unmittelbarer Nähe des Messpunktes wird das gemessene Signal von Einschwingvorgängen gestört (es "klingelt").

Man muss keine 1000EUR für einen kommerziellen FET-Tastkopf ausgeben, eine einfache Schaltung aus einem JFET-Folger mit einem schnellen Operationsverstärker reicht für die meisten Zwecke. Und kann teilweise noch mehr als übliche kommerzielle Produkte, z.B. einen größeren Spannungsbereich abdecken.

Schaltung

Hier die Schaltung in einer Beispielkonfiguration:

Schaltplan Hochimpedanztastkopf

Sie wird mit einem dünnen Koaxkabel am Oszilloskop angeschlossen, das dort korrekt terminiert sein muss.

T2 ist der eigentliche Sourcefolger. Er hat eine typische G-D-Kapazität von etwa 1pF, und wenn man den Gateanschluss direkt in die Schaltung lötet (wieso nicht?), ist das die ganze Kapazität des Tastkopfes. In diesem Punkt sind die kommerziellen Produkte selten besser!

T1 bildet zusammen mit P1 eine Stromquelle. Sie wird so abgeglichen, dass sich an T2 eine G-S-Spannung von 0V einstellt (Offsetabgleich). Nun streuen diese JFETs so stark, dass man theoretisch einen so schwachen BF245B erwischen kann, dass man den BF245A damit nicht auf 0V bekommt. In diesem Fall würde ich den Kameraden wegwerfen und den nächsten probieren. Oder einen BF245C verwenden.

Die Beschaltung um den Operationsverstärker kann als Abschwächer oder als Verstärker konfiguriert werden, je nachdem, was man benötigt.

Für Anwendungen mit Amplituden über 1V ist eine 10:1 Abschwächung sinnvoll, weil man schließlich 50Ohm treiben muss und die Treiberleistung des OPV begrenzt ist. Man kann vor dem OPV teilen (R1, R2) und/oder danach (R4 gegen 50Ohm), je nach Operationsverstärker. Bei großer Eingangskapazität ist es am Eingang nicht so gut, bei begrenzter Anstiegsgeschwindigkeit dagegen vielleicht die einzige Möglichkeit.

Beim Eingangsteiler R1, R2 muss man darauf achten, dass die BF245 nicht zu sehr belastet werden. Mehr als die Hälfte des Ruhestroms würde ich ihnen nicht zumuten - und nicht den Strom zum Umladen der Kapazitäten vergessen, z.B. 1V/ns an 1pF ergibt 1mA!

Für Anwendungen mit kleinen Signalamplituden kann man auch eine 1:1 Version bauen. Da man bei den meisten Operationsverstärkern für einen stabilen Betrieb aber das Kabel mit einem Serienwiderstand entkoppeln muss, braucht man dann eine Verstärkung >1 am OPV. Z.B. R3 = R5 (G = 2) und R4 = 50Ohm.

R3 und C1 brauchen manche Operationsverstärker auch dann, wenn sie als Spannungsfolger konfiguriert werden (z.B. 200Ohm, 3,9pF beim THS4001).

Die Entkopplung der Versorgungsspannung ist ausreichend breitbandig, die Ta-Kondensatoren C11, C13 können auch kleinere Werte aufweisen. R10, R11 sind eine optionale Entkopplung der Zuleitung, sie können i.d.R. auch entfallen, bei Bedarf können hier Chipferrite oder Widerstandswerte von ca. 10 Ohm eingesetzt werden.

Test

Ich habe die Schaltung mit einem THS4001 ausprobiert, der zwar 270MHz Bandbreite, aber "nur" 0,4V/ns Anstiegsgeschwindigkeit hat. Deshalb habe ich vor dem Verstärker mit 6,66 kOhm : 1 kOhm geteilt und das Kabel mit nur 15 Ohm entkoppelt. Die nominal 1,5 pF des THS4001 ergeben mit den 870 Ohm Quellwiderstand des Teilers ca. 100MHz theoretische Bandbreite und 3 ns Anstiegszeit. Mit einem "Angstwiderstand" von 1 kOhm am Gate von T2 ergab sich dann auch eine Messung gut 60 MHz Bandbreite.

Der BF245 sollte eher schneller sein, mit den richtigen Verstärkern und guter Dimensionierung kann die Schaltung bestimmt mehr als 100MHz Bandbreite, aber die benötigte ich nicht. Deshalb habe ich die JFETs auch gesockelt (Verschleißteil).

Ein LM6171 (herzlichen Dank an Rolf Bombach!) kann sehr flotte 3,6V/ns, deshalb habe ich ihn als Folger eingesetzt und am Ausgang mit 450Ohm zum Kabel die 10:1 Abschwächung eingestellt. Aber er ist unterkompensiert (damit schaut die Bandbreite im Datenblatt besser aus) und klingelt nach schnellen Transienten ca. 20ns lang. Da hilft mir der schnelle Anstieg auch nichts. Vielleicht könnte man das noch optimieren.

Aufbau

Die Schaltung passt auf eine 36mm x 10mm kleine Platine (also nicht größer als ein passiver Tastkopf), die eingeschrumpft recht robust ist:

Ansicht Bestückungsseite
Ansicht Lötseite

Die Enden löte ich vorzugsweise in die Schaltung. Das geht schnell und hält besser als irgendwelche Clips.

Eine Layoutanregung:

Layout

Spannungsversorgung

Den FETs sollte man schon ca. 5V übrig lassen. Dem OPV reicht das auch, selbst, wenn er als Folger konfiguriert ist.

Bei 5V-Logiksignalen kann man also mit -5V und +10V speisen. Insgesamt sind 30V kein Problem mit den o.g. Verstärkern und ich messe damit regelmäßig 15V-Signale (mit -5V und +20V Versorgung).

Verbesserungsmöglichkeiten

Die DC-Genauigkeit der Schaltung ist schlecht, auch durch thermische Effekte. Z.B. ändert sich mit der Eingangsspannung die Verlustleistung in T1 und T2, dadurch ihre Temperatur und letztlich die Offsetspannung. Nach einem Spannungssprung kann man deshalb ein leichtes Kriechen beobachten. Das wird noch schlimmer, wenn man einen BF245B als Folger nimmt, weil der Strom höher ist.

Man kann deshalb einen DC-Regelkreis um den HF-Pfad herum aufbauen.

Status

Dieser Artikel entstand Ende 2000 nach einer Diskussion in der Usenet-Newsgroup de.sci.electronics. Vielen Dank für die Tipps zu schnellen Operationsverstärkern an Jorgen Lund-Nielsen und Rolf Bombach.

Mittlerweile (2013) werden die bedrahteten BF245 nicht mehr hergestellt, aber es gibt noch reichlich Restbestände.

Mehrere Exemplare des Tastkopfes (einschließlich des ersten) sind nach wie vor in Betrieb.

Kommentare, Verbesserungsvorschläge, Fehlerberichte usw. sind jederzeit willkommen. Support für Beschaffung, Aufbau oder Inbetriebnahme kann ich jedoch nicht leisten.